Dampfboot St. Urs

Dampf für St. Urs

Bereits 1987 wurde zum ersten Mal der Versuch unternommen das Boot zu erwerben was jedoch erst 1992 gelang. Es erfolgte die Konservierung der Schiffsschale und der originalen Teile. Es musste davon ausgegangen werden, dass die originale  Dampfmaschine 1903 verschrottet wurde, weshalb  nach  einer geeigneten historischen Dampfmaschine gesucht wurde. Es erfolgte eine ausgedehnte Projektierung, inklusive navalarchitektonischer Analyse, welche vom Luzerner Navalbüro StaBo vorgenommen wurde.

Das Projekt hatte mittlerweile eine Dimension angenommen, welche eine Durchführung in Eigenregie nicht mehr zuliess. Im 2004 fiel dann der Entschluss, alle Restaurierungs- und Bauarbeiten durch die Werft der Schiffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees SGV (jetzt Shiptec) ausführen zu lassen. Die Restaurierung der Dampfmaschine war bereits vorgängig durch W. Steiner aus Thun und teils in Eigenregie durchgeführt worden. Der Druckteil des Dampfkessels stammt von der Firma Balson.

Mit der SGV / Shiptec konnte eine  Werft gefunden werden, welche alle für die Restaurierung eines historischen Dampfbootes nötigen Kompetenzen besitzt. Wie von den Raddampfern der SGV her gewohnt, erfolgt auch die Restaurierung von St. Urs in einer einmaligen Qualität. St. Urs war eines der ersten Projekte der Shiptec. Gewisse Wartungsarbeiten werden nach wie vor bei der Shiptec durchgeführt.

Wilen 1987

Sarnen 1992

Shiptec Luzern 2005

Stapellauf 2006

Technische Daten 1889

Hersteller des Schiffskörpers R. Holtz Dampf-Boot & Maschinenfabrik, Harburg bei Hamburg
Baujahr 1889
Baunummer 613
Bauart Verzinktes Stahlblech, Rundspant
Verwendung Dampfyacht, Schulboot
Länge über Perpendikel 8.10 m
Länge über alles 9.10 m
Breite über alles 2.0 m
Seitenhöhe* 0.93 m
Mittlerer Tiefgang leer* 0.65 m
Besatzung* 2
Verdrängung leer** 2080 kg
Quellen * Bundesarchiv; **letzter Zustand als Elektroboot ohne Batterien
Hersteller der Maschine R. Holtz Dampf-Boot & Maschinenfabrik, Harburg bei Hamburg 1889
Baujahr 1889
Maschinenbauart Tandemmaschine ohne Kondensation
Zylinderdurchmesser 100 / 161 mm
Kolbenhub 100 mm
Tourenzahl 180 / min
Leistung 7 PSi


Hersteller des Kessels R. Holtz Dampf-Boot & Maschinenfabrik, Harburg bei Hamburg 1889
Kesseltyp Lokomobilkessel mit Vertikalzylinder
Heizfläche / Rostfläche 3.0 m2 / 0.12 m2
Arbeitsdruck 8 atü
Propellerart 1 Festpropeller, 3 Flügel
Propellerdurchmesser 620 mm
Quelle Bundesarchiv

Antriebsanlage  ab 2006

Hersteller der Maschine J. Samuel White & Co. Ltd., Shipbuilder and Engineer, East Cowes, Isle of Wight
Baunummer 72S
Baujahr 1898
Verwendung Antrieb für Beiboot der Dampfyacht BOADICEA
letzte Verwendung ab 1959 im Dampfboot VICTORIA auf der Themse
Maschinenbauart Verbundmaschine mit Kondensation
Art der Kondensation ursprünglich Innenkondensation mit Kühlwasserpumpe über Kettenantrieb
später Aussenkondensation
Pumpen 1 Nassluftpumpe, 2 Kesselspeisepumpen, an den Kreuzköpfen angetrieben
ursprünglicher Kessel zerstört bei Luftangriff im 2. Weltkrieg
Zylinderdurchmesser 82 / 150 mm
Kolbenhub 125 mm
max. Tourenzahl  250 / min
Leistung ca. 5 kW
Revisionen, soweit bekannt 1959: M. Gilbert, 1988: R. Mallinson; 1995 / 2004: W. Steiner; Schmid


Propeller Festpropeller mit 3 Flügeln
Durchmesser / Steigung 76 cm / 101 cm


Hersteller des Dampfkessels Blason, Stein am Rhein
Baujahr 2000
Type Kessel Typ II
Art des Kessels Wasserrohr
Inhalt 67.3 Liter
Rostfläche 0.224 m2
Heizfläche 7 m2
Feuerung Feste Brennstoffe (Holz, Holzbriketts)
Betriebsdruck 11 bar
Speisung 1 Handspeisepumpe (W. Rutz), 2 an den Kreuzköpfen angetriebene Pumpen,
1 Dampfpumpe (W. Rutz), 1 Injektor (Penberthy)

Dampfmaschine J. Samuel White & Dampfkessel Balson

Die heutige Dampfmaschine von St. Urs  wurde von J. Samuel White & Co. Ltd., Shipbuilder and Engineer, East Cowes, Isle of Wight, gebaut. Sie hat eine ähnlich bewegte Geschichte hinter sich wie St. Urs.

Im Juni 1898 wurde die Maschine vom Hersteller abgeliefert und kam im Beiboot der Yacht Boiadicea zum Einsatz. Später fand die Dampfmaschine den Weg zurück auf die Isle of Wight. Dort wurde sie 1949 in relativ schlechtem Zustand samt Kessel von Mr. Gilbert in einem Schuppen entdeckt. Die Maschine hatte einen Luftangriff im 2. Weltkrieg nur knapp überstanden. Der Kessel war dabei allerdings zerstört worden.

Erst 1958, knapp 10 Jahre nach der Entdeckung, kam die Maschine auf der Steam Launch Victoria auf der Themse zum Einsatz. (Bereits damals dauerten Dampfbootprojekte etwas länger...). In diesem Zustand wurde sie auch im bekannten Dampfbootbuch The Steam Launch von Richard M. Mitchell  erwähnt und abgebildet (vgl nebenstehendes Bild.

Bis in 90er Jahre des 20. Jahrhunderts war die Maschine auf der Victoria im Einsatz. Die Kesselanlage und die Kondensation wurden in dieser Zeit mehrmals angepasst. 1988 wurde die Maschine von Roger Mallinson in England überholt.

Schliesslich fand die Maschine 1994 den Weg in die Schweiz und konnte von uns angekauft werden. Die Maschine war für ihr Alter in einem respektablen Zustand, wie das Bild links zeigt. Die Maschine wurde vollständig zerlegt und optisch und mechanisch akribisch restauriert.

Die Demontage und Sandstrahlarbeiten sowie das Polieren der Maschine wurde in Eigenleistung durchgeführt. Die mechanische Instandstellung erfolgte in langwieriger Freizeit-Arbeit durch W. Steiner in Thun in den damaligen Werkstätten des Vaporama.

Heute ist die Maschine in einem nahezu perfekten Zustand, wahrscheinlich noch besser als bei der Ablieferung 1898.

Seit der zweiten Jungfernfahrt 2006 hat die Maschine bisher bestens funktioniert. Sie ist äusserst zuverlässig und sparsam. Im zweiten Betriebsjahr mussten die Lager der Kurbelwelle und Kreuzköpfe überarbeitet werden, da sich die originale Fettschmierung im heutigen Betrieb als ungenügend erwies. Es erfolgte deshalb ein Umbau auf eine zentrale Ölschmierung System W. Steiner. Seither treten keine Probleme mehr auf.

Die Dampfanlage als Ganzes funktionierte seit Beginn sehr gut. Anpassungen im ersten Betriebsjahr mussten nur bei der Kondensatrückführung sowie beim Propeller vorgenommen werden. Es traten bisher keine grösseren Störungen oder Defekte auf.

Aus technischen Gründen konnte das Design des ursprünglichen Kessels nicht nachgebaut werden. Man entschied sich deshalb für einen Standartkessel der Firma Balson. Es ist ein Wasserrohrkessel mit rund 67 Liter Inhalt und 7 m2 Heizfläche. Der grosse Rost eignet sich bestens zur Feuerung mit Holzbriketts bzw. Holz. Die Kesselleistung ist sehr gut mit der Maschinenleistung abgestimmt, so dass mit Holzfeuerung die volle Maschinenleistung erreicht werden kann.

Die äussere Verkleidung ist der ursprünglichen Kesselform angepasst, was Raum für eine sehr gute Isolation lässt. Die Farbe des Kessels wurde entsprechend dem Generalplan von 1889 sowie den zeitgenössischen Fotografien silbergrau gewählt.

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